Ein Praktikum im Tal der Halbleiter
von Matthias Deeke
Mountain View
Silicon (IT) Valley
Juli 2000
(ungekürzte Version)



Alles hat eigentlich damit begonnen, dass ich mich Ende des 6.ten Semesters jemand gefragt hat, wo ich denn mein Praxissemester verbringen werde. Diese Frage hat mich zu diesem Zeitpunkt getroffen wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Hat sie mir wieder einmal klar gemacht, wie schnell die Zeit doch vergehen kann. Kommt einem doch die Zeit während des Studiums noch so elendig lang vor, so wundert man sich wie schnell die Zeit zum Ende hin knapp wird.
Die folgenden Tage verbrachte ich damit in den Räumen des AStAs, in welchem ich bis dato als Referent mitgearbeitet hatte, mir mit Hilfe des Internets einige interessante Möglichkeiten herauszusuchen. Diese waren auch schnell gefunden. Da ich mit dem Praxissemester gleichzeitig meine Englischkenntnisse aufbessern wollte, kam mir als erstes Australien und die USA in den Sinn. In Australien hatte ich mir dann ca. 20 interessante Unternehmen und Einrichtungen herausgesucht. Eine der Einrichtungen, der australische Radioteleskop-Verbund, hatte sogar Interesse an einem Praktikanten. Das Problem war nur, dass ich als australischer Student hätte eingeschrieben sein müssen. Ich dachte mir, dass kann doch kein Problem sein....Mitnichten! Bei einer Semestergebühr von umgerechnet 12000DM! wusste ich, wie die ihr teures Spielzeug finanzieren! Die anderen Unternehmen hatten es nicht einmal für nötig befunden eine Absage zu erteilen. In Zeiten wo das Internet eine Möglichkeit bietet nahezu umsonst und mit minimalen Aufwand Nachrichten zu versenden, eine ziemlich arrogante Haltung finde ich.

Nachdem der australische Kontinent ausgeschöpft war, schwenkte ich dann auf den amerikanischen über. Hier war die Zahl der in Frage kommenden Unternehmen deutlich grösser. Nicht zuletzt derer, die in Silicon Valley angesiedelt waren. Dementsprechend wurden die dortigen Unternehmen eifrig angeschrieben. Hier war auch die Zahl der Antworten deutlich grösser. Allerdings waren es entweder Absagen oder die Bitte, sich bezüglich dieses Praktikumsplatzes bei der deutschen Tochter bzw. Mutter zu bewerben. Parallel zu diesen Versuchen stellte sich heraus, dass einer meiner Dozenten, Prof. Doelecke, aus seiner Vergangenheit noch Beziehungen zu einer amerikanischen Firma pflegte. Mit seiner Hilfe wurden dann ca. 10 Monate vor dem geplanten Abreisedatum die Bewerbungsunterlagen sowohl an die Mutterfirma in Deutschland als auch, um sicher zu gehen, an die amerikanische Tochter geschickt. Die amerikanische Tochter meldete sich dann umgehend auf diese Bewerbung mit dem bereits bekannten Satz: "Die Auswahl der deutschen Praktikanten übernimmt unsere deutsche..." etc. etc. pp. Folglich blieb mir nichts anderes übrig, als auf eine Antwort der nahmhaften deutschen Mutter zu warten... Ca. 4 Monate gingen ins Land, bis ich eine Antwort von eben diesem Unternehmen bekam. Man schrieb, dass meine Unterlagen nun in Bearbeitung seien, aber sie zur weiteren Bearbeitung aber noch dies, das und jene Unterlagen bräuchten. Aber das allerschärfste: Dass die Bearbeitung sich bis zu 4 Wochen vor meinem Abreisedatum hinziehen könne und falls ich bis dahin keine Nachricht erhalten habe, es wahrscheinlich kein Platz für mich gäbe. Haben diese Jungs mal daran gedacht, dass es Studenten gibt, die auch was anderes zu tun haben als ein komplettes Semester zu verschwenden, falls es mit dieser Bewerbung nicht klappt. Dann nämlich hätte ich mir innerhalb von 4 Wochen einen anderen Praktikumsplatz suchen müssen. Davon mal ganz abgesehen, dass beim CIEE (Council) aus verständlichen Gründen alle Unterlagen mindestens 4 Wochen vor Abreise eingegangen sein müssen um meinen Antrag auf ein Visum und eine Arbeitserlaubnis bearbeiten zu können. Und die 4 Wochen gelten auch nur in Ausnahmefällen. Zudem belief sich die Kündigungsfrist meiner damaligen Wohnung auf drei Monate. "Tolle Wurscht!" dachte ich mir. Die fehlenden Unterlagen habe ich denen dennoch zugesandt. Man kann ja schliesslich nie wissen...

Zwischenzeitlich hatten zwei meiner Freunde bei meinem jetzigen Arbeitgeber ARIBA ihr Praktikum angefangen. Da ich, dank des Internets, mit Ihnen in regem Kontakt stand, fragte ich sie spasshalber ob ARIBA zum nächsten Semester noch Praktikanten sucht. Die Antwort war ein definitives JA. Da sich die namenhafte deutsche Mutterfirma immer noch nicht gemeldet hatte, trotz des verzweifelten Versuchs meines Dozenten dort mal jemanden ans Telefon zu bewegen, entschied ich mich dazu, mich bei Ariba zu bewerben. Da ich wusste, dass es in unserer Fachhochschule eine USA-Beratungsstelle gibt die ich noch aus meiner AStA - Zeit kannte, schlug ich bei der Sachbearbeiterin kurzerhand auf um mich bezüglich des Visums, der Arbeitserlaubnis und möglichen Förderungen beraten zu lassen. Nach dieser Beratung war ich um einiges schlauer: Visum, Arbeitserlaubnis und Krankenversicherung bearbeitet das CIEE auch "Council" genannt, einen Flugzuschuss gibts vom DAAD und um eine Menge Details, welche ich aus Platzgründen nicht aufführen möchte, muss man sich selber kümmern. 12 Stunden später befand sich meine Bewerbung einschliesslich der notwendigen Council-Unterlagen auf dem Weg via eMail über den Teich. Hierbei hat sich wieder einmal das Internet bezahlt gemacht. Die Amerikaner, das habe ich auch spaeter immer wieder feststellen müssen, kommunizieren fast nur noch via eMail. Verträge, Unterlagen, Liebeserklärungen, Verabredungen und Konsorten.... alles über den Draht... Die absolute Verkabelung!

Ca. 12 Wochen vor dem geplanten Abreisetermin meldete sich dann plötzlich das namenhafte deutsche Unternehmen wieder. Diesmal die amerikanische Tochter. Am anderen Ende der Leitung sprach eine Frau auf English um das meinige zu testen. Allerdings liess sich aufgrund Ihres bayrischen Akzentes ihre wahre Herkunft nicht verbergen. Nach diesem Gespräch wurde mir mitgeteilt, dass sie sich wahrscheinlich in den nächsten Tagen mit mir in Verbindung setzen wird, um mir die endgültige Entscheidung mitzuteilen. Nun hatte ich also 2 Eisen im Feuer: ARIBA und das nahmenhafte deutsche Unternehmen. Ab jetzt hiess es warten... Es war eine fürchterliche Zeit!

Etwa 2 1/2 Wochen nachdem ich meine Bewerbung zu ARIBA geschickt habe, kam um ca. 5 Uhr in der Früh ein Anruf von meinen Vorgängern Oliver und Alex, dass ich den Job bei ARIBA in der Tasche habe. Die Freude hielt sich zu diesem Zeitpunkt etwas in Grenzen, da ich gerade 3 Stunden vorher von einer Party nach Hause kam. Doch gegen Mittag, etliche Tassen Kaffee später, begriff ich erst, was der frühmorgendliche Anruf eigentlich bedeutete. Nach nur ca. einer Woche kam unter schwierigen Umständen der Vertrag inklusive CIEE-Unterlagen via Express-Mail bei meinem Vater an und wurde, nach einer unfreiwilligen Wartezeit vor der Haustür, sorgfältig einzeln auf die Wäscheleine gehängt.
(Lieber Leser, BITTE FRAGEN SIE AN DIESER STELLE LIEBER NICHT WIESO)

Die Freude war gross und noch in derselben Woche wurden die endgültigen entscheidenen Vorkehrungen getroffen:
1. Vater anpumpen
2. Flugticket kaufen
3. Zig Unterlagen an zig Stellen schicken und Wohnung kündigen.
Da ich zu diesem Zeitpunkt, via Internet, eine Nachmieterin gefunden hatte, war das Kündigen 2 Monate vorher plötzlich kein Problem mehr. Die Wohnung wurde kurzerhand an eine Finnin weitervermietet welche während der Expo in Hannover auf dem finnischen Stand arbeitet. Nach den letzten offiziellen Expo-Besucherzahlen scheint die Dame sich dort aber eher zu Tode zu langweilen. :-)
Desweiteren mussten ja auch noch die etlichen Details erledigt werden, bevor es in fast 8 Wochen in den Flieger ging.
Da ich zu diesem Zeitpunkt gerade die allerletzten Klausuren meines Studiums schreiben musste, ging ich verständlicherweise urplötzlich hochmotiviert an diese heran.

Tatsächlich ca. 4-5 Wochen vor dem geplanten Abreisetermin rief die amerikanische Tochterfirma an, um mir mitzuteilen, dass ich den Job bekommen hätte. Der guten Frau, welche sich ebenfalls als eine Praktikantin herausstellte, musste ich zu diesem Zeitpunkt leider eine Absage erteilen. Ich hatte mich ja bereits für ARIBA entschieden. Aus dem folgenden Gespräch ergab sich dann auch noch, dass mich die deutsche Mutter in einen Unternehmensbereich gesteckt hat, der aber auch GAR NICHTS mit meiner Studienrichtung zu tun hat: Technische Dokumentation von Industrieanlagen. Und das dann auch noch zu Bedingungen, die einfach zum Heulen waren! Selbst wenn das Angebot besser gewesen wäre, wäre es unmöglich gewesen zu wechseln, da die Zeit einfach zu knapp gewesen wäre. Also wurde dieses Angebot dankend abgelehnt.

Nun musste ein minutiöser Plan ausgearbeitet werden da die Zeit äusserst knapp wurde! Ich musste die folgenden Dinge unter einen Hut kriegen:
Wohnungsklamotten packen, Ausziehen, Teile der Wohnung renovieren, Wohnung uebergeben, Klamotten beim Vater einlagern, Klamotten für Amerika packen.
Und nicht zu vergessen: 2 Klausuren schreiben: Digitale Signalverarbeitung und Regelungstechnik I
Und für all diese Dinge hatte ich weniger als 96 Stunden Zeit, da ich während der Klausurenzeit nichts, aber auch gar nichts anderes machen wollte, als für die Klausuren zu pauken!
Aber wenn ich was beim Bund gelernt habe, dann ist es organisieren und planen. Also gingen auch diese Vorhaben planmässig über die Bühne. Hierbei nochmals einen grossen Dank an Jungbauer Wehrse für seine grossartigen Schlepp- und Transportdienste.

Am Sonntag Abend vor meinem Abflug haben die Eltern meines ältesten und besten Freundes mir dann ein Abschiedsessen bereitet, welches ich in den nächsten Monaten schmerzlichst vermissen sollte. Der Titel dieses Abends lautete treffenderweise: "Abschiedsessen auf "Gut Deutsch" für einen Amerikareisenden"... An diesen Abend denke ich noch heute immer gerne zurück. Es sollte sich später herausstellen, dass in den vereinigten Staaten gewisse Dinge in Bezug auf Nahrungsmittel einfach anders sind. So sind zum Beispiel "fettfreie" Fleisch-Produkte derartig mit Zucker versetzt, dass sie fast schon wieder wie Marmelade schmecken. Nur Farbe, Form und Geruch lassen noch auf das ursprüngliche Produkt schliessen. Allerdings möchte ich lieber nicht wissen, wie sie das hinbekommen haben.

Auch diese Nacht vor dem Abflug, so elendig lang wie sie war, ging vorüber. Ehe ich mich versah stand ich auf dem hannoverschen Flughafen. Noch eine letzter Kaffee und ab nach Frankfurt, von wo aus es dann auch gleich weiter Richtung San Francisco ging.
Bereits im Flieger bekam ich dann einen kleinen Vorgeschmack der nordamerikanischen Bürokratie. Mittels Bordsprechanlage und wirklich netten Stewardessen wurde man auf die geltenden Einreisevorschriften hingewiesen. Mir blieb also gar nichts anderes übrig als auf die Fragen des Einreisebogens wahrheitsgemäss zu antworten:
Haben sie vor in den USA terroristisch oder kriminell tätig zu werden: NEIN
Nehmen Sie mehr als $10,000 in die USA: NEIN
u.s.w. und so fort.
Ich möchte mal wissen, wer so dämlich ist, die erste Frage mit JA zu beantworten.
Auf dem Flughafen in San Francisco angekommen, wurde das Gepäck dann durch zwei Arten von Hunden durchsucht: Den Kläffs und den Wuffs. Die Wuffs waren Hunde ab 40 kg, die darauf spezialisiert waren Drogen aufzuspüren... So weit so gut. Die Kläffs hingegen, Hunde so gross wie Taschenratten, waren dahingehend abgerichtet, illegale Nahrungsmittel aufzuspüren und diese Ihrer Bestimmung zukommen zu lassen: Dem Biohazard-Abfalleimer. Die Amerikaner haben nämlich eine Heidenangst, dass mit diesen Nahrungsmitteln die Brut von diversem Ungeziefer eingeschleppt wird. Aus diesem Grunde werden alle Nahrungsmittel nach deren Entdeckung gesammelt und gewissenhaft verbrannt. Wer beim Schmuggeln erwischt wird zahlt eine nicht unwesentliche Strafe und macht u.U., laut Hinweis, umgehend von seinem Rückflugticket gebrauch.
Nach einer kurzen VISA-Kontrolle wurde ich auch schon von meinen Freunden durch ein freundliches Photo in Empfang genommen. Zu diesem Zeitpunkt war ich aufgrund der Zeitverschiebung bereits 18 Stunden auf den Beinen und es sollten noch 27 werden, denn meine beiden "Freunde" nahmen mich nicht zu sich nach Hause, wo ich hätte schlafen können, sondern mit auf die Arbeit, wo dann noch bis zum Abend durchgearbeitet wurde.

Kaum bei ARIBA in Mountain View angekommen, wurde mir dann auch umgehend der sogenannte "Badge" verpasst. Ohne diese Hundemarken, welche einem Zugang zu seiner Firma ermöglicht, ist man im Valley nackt! Zeitweise werden sie auch wie Trophäen gesammelt. Ein Mitarbeiter brachte es sogar auf stolze 12! Badges seiner vorigen Arbeitgeber und das mit 31 Jahren. Tja, die "Stock-Options" der Arbeitgeber helfen eben nicht immer. Hierbei ist anzumerken, dass ein kalifornisches Gesetz besagt, dass jeder Arbeitnehmer ohne jegliche Frist gekündigt werden kann, desweiteren kann der Arbeitnehmer auch ohne jegliche Frist selbst kündigen. Dieses Gesetz und der notorische Mangel an Ingenieuren führen vor allem zu drei, mir besonders aufgefallenen Dingen:
a) Die Ingenieure bekommen je nach Fachrichtung und Bedarf überdurchschnittliche Gehälter von fast $70000 bis $100000 pro Jahr
b) zusätzlich werden die Arbeitnehmer mit sogenannten Stock-Options ausgestattet, die nicht selten einen Mitarbeiter innerhalb eines Monats zum Millionär gemacht hat
c) Je nach Dringlichkeit bekommt man bei verschiedenen Firmen, sobald man den Arbeitsvertrag unterzeichnet, die Schlüssel eines Wagens seiner Wahl überreicht
Davon abgesehen, dass man sich jedesmal vor einem Kinofilm ca. eine halbe Stunde lang diverse Stellenangebote sowie die Konditionen zu denen man eingestellt wird, ansehen muss. Da ist selbst kaum noch Platz für die Werbung einer allseits bekannten braunen Zuckerlimonade.

Was die Arbeit selbst betrifft, war ich von Anfang an begeistert. Die Aufgaben der Interns bestehen unter anderem darin, den Mitarbeitern einen Rundherum-Service in Sachen IT zu geben. Das hiess unter anderem: Server installieren, New-Hire Computer zu konfigurieren, neue Software-Images für die nächste Generation von Rechnern zu erstellen, Datenrettung an Rechnern nach Totalabstürzen (der User :-) ) vorzunehmen, Lösungen mit LINUX erarbeiten, Verbesserung des "NewHire"- Prozesses mit inzwischen eigenem Budget sowie der von allen IT-Mitarbeitern soooo beliebte "User-HelpDesk".
Hierbei fällt mir immer wieder die lustige Geschichte eines Users ein, der eines wunderschönen Tages in unser Labor kam und meinte, dass seine Maus nicht mehr funktioniere. Er vermutete es sei ein seriöses Hardware-Problem. Es sollte sich aber herausstellen, dass es sich hierbei um ein seriöses Softwareproblem handelte, welches zwischen Keyboard und Stuhl zu finden war. Nach meinem kurzen fachmänischen Scharfblick war das Problem dann auch sofort lokalisiert. Ich verliess dann sein Büro mit der Bitte, er möge doch bitte SEINE Maus benutzen und nicht die seines Nachbarn!!! Sachen gibts...
Mein Brötchengeber ARIBA ist übrigens der führende Network Service Provider für B2B (Buisiness to Buisiness) eCommerce Platformen. Kurz gesagt, ARIBA ermöglicht seinen Kunden einen weltweiten web-basierden Handel ihrer Produkte. Im Augenblick arbeiten weltweit rund 1400 Mitarbeiter für ARIBA, wovon etwa 650 hier in Mountain View/Sunnyvale angesiedelt sind, welche es zu versorgen gilt.

In meinen folgenden ersten Tagen mussten vor allem folgende wichtige Dinge erledigt werden: Der Antrag auf eine "Social Security Card" und der kalifornische Führerschein. Ich habe an der Stelle das unheimliche Glück gehabt, dass ich mich nicht mehr um Sachen wie eine eigene Wohnung mit Einrichtung und ein Auto kümmern musste. Beides konnte ich glücklicherweise von meinen Vorgängern übernehmen.
Die "Social Security Card" stellte sich allerdings, wie alle Behördengänge hier, als ein wahres Geduldsspiel heraus. Es heisst dort warten, warten, und nochmals warten. Als ich dann nach 26 Nummern endlich an die Reihe kam, stellte sich dann heraus, dass ich mich am falschen Schalter angestellt habe. Also,...Nochmal das Ganze! Warten,warten und nochmals warten. Gott sei Dank nur 11 Nummern später konnte ich meinen sorgfältigst ausgefüllten Antrag dann einer Dame in die Hand drücken die wiederum nur einen Blick auf die Richtigkeit der Daten warf und sich dann mit den Worten: "Sie bekommen dann die Karte in den nächsten Wochen zugesandt" verabschiedete. Himmel, das hätte auch ein stinknormaler Briefkasten viel schneller getan! Der Führerschein gestaltete sich ähnlich: Warten, warten, warten, Formular ausfüllen, $12 zahlen, warten warten, Photo machen lassen, warten warten, Fragebogen ausfüllen, warten, warten, warten, warten, warten, Ergebnis abholen, 4 Wochen warten, Fahrprüfung mittels "Einmal um Block fahren" machen und Lappen in die Hand bekommen. So werden übrigens alle Führerscheine abgenommen, was sich auch immer wieder in der amerikanischen Fahrweise wiederspiegelt. Glücklicherweise ist die absolute Höchstgeschwindigkeit 65Mph was etwa 105km/h beträgt. Was allerdings in Hinblick auf die fürchterlichen Strassenzustände auch notwendig ist.

Was das Leben im Silicon Valley betrifft, so fällt einem vor allem eine Eigenschaft sofort ins Auge: Verdammt teuer!
Bei Mieten um die $1500 für ein kleines Apartment braucht man schon einen soliden Finanzplan, bevor man dieses Land überhaupt betritt. Was allerdings billig ist, sind die Nahrungsmittel und die Restaurants. Fuer $5 kann an in den meisten chinesischen Restaurants schon ein gutes Essen mit Vorsuppe und Getränk bekommen. Allerdings sind Freizeitaktivitäten wiederum teuer. Angesichts dieser Preise sollte man sich vorher im klaren sein, welche Vergütung man erhält und wieviel man selbst aufbringen muss. Ich kann von mir aus sagen, dass man pro Monat ohne jegliche Freizeitaktivitäten mit etwa $1000 pro Monat auskommt. Vorausgesetzt, man teilt sich die Miete und andere Kosten mit einem Mitbewohner, der darüberhinaus am besten noch in derselben Firma arbeitet.

Eigentlich heisst das ca. 1500 Quadratmeilen grosse Tal "Santa Clara Valley" und hörte bis etwa Anfang der 70er Jahre auf den Spitznamen "Valley of Heart's Delight". Bis zu dieser Zeit war das Tal nämlich für seine riesigen Fruchtplantagen bekannt. Aufgrund des warmen und milden Klimas konnten diese hier prächtig gedeihen. Noch heute findet man südlich des Valleys, um Gilroy herum, riesige Knoblauch-Plantagen als Zeitzeugen des "alten" Valleys. Das Tal selbst befindet sich auf der San-Francisco Halbinsel und wird im Westen von den "Santa Cruz Mountains", im Norden und im Osten von der "San-Francisco-Bay" und der "Coast Range" im Südosten eingegrenzt.

Silicon Valley

Nachdem die im Valley allseits bekannten Bill Hewlett und David Packard ihre eigene Firma gründeten, traten sie damit eine regelrechte Welle los. Unterstützt von dem Vorhaben der Stanford-University, die Wirtschaft im Valley durch Förderung von Unternehmensgründern voranzutreiben, gedieh die Wirtschaft mit Halbleiterunternehmen wie die Früchte auf den Fruchtplantagen zuvor. Nachzulesen unter:
From the Valley of Heart's Delight to the Silicon Valley: A Study of Stanford University's Role in the Transformation" from Carolyn Tajnai
Den Namen "Silicon Valley" hatte der amerikanische Journalist Don Hoefler in seiner Artikelserie "Silicon Valley USA" für die Zeitschrift "Electronic News" im Januar 1971 das erste mal benutzt. Seitdem kennt heute, 30 Jahre später, jeder das Tal nur noch unter diesem Namen. Die alte und offizielle Bezeichnung sind gänzlich verdrängt worden.

Darberhinaus haben die dotcoms (.com) den eigentlichen Namensgebern, den Halbleiterfirmen, im Silicon Valley schon längst den Rang abgelaufen. Denn immer mehr und mehr dieser Firmen verdrängen die alten Platzhirsche des Valleys; ONLINE SHOPS, Internet-Suchmashinen-Provider, ONLINE Versicherungsmakler, ONLINE-Banken, ONLINE-Autoverkäufer und und und..... Der Phantasie ist hierbei keine Grenzen gesetzt, was zuweilen auch skurile Formen annimmt: www.adiamondisforever.com, www.goshopping.com, ... nur um mal ein paar zu nennen. Diese Verdrängung führt dazu, dass immer mehr Leute das Tal inzwischen "Internet-Valley" bzw. "IT-Valley" nennen. Vielleicht wird in weiteren 30 Jahren den Namen "Silicon Valley" auch keiner mehr kennen, von dem "Valley of Hearts Delight" mal ganz zu schweigen. Die augenblicklich im Tal angesiedelten Firmen bilden mit 450 Milliarden US$, 37% des US-High-Tech-Marktes und mit dem zunehmenden Wachstum im Internet-Sektor, ist dort auch noch kein Ende abzusehen.

Landschaftlich hat die Gegend um das Valley ebenfalls viel zu bieten. So sollte man sich die Naturschutzgebiete um das Tal, sowie den Golden Gate National-Park unbedingt ansehen. Die Natur, die durch das rechtzeitige Schaffen der National-Parks geschützt wird, ist eine bildschöne Landschaft, deren Eindrücke man auf sich wirken lassen muss. So ist unter anderem die "Half Moon Bay" mit seinem langem halbmondförmigen traumhaft weissen Strand zu erwähnen. Auch die Klippen entlang der ganzen Küste laden immer wieder zu ausgedehnten Spaziergängen und Wanderungen ein.

Auch kleinere Expeditionen ins Landesinnere Kaliforniens machen sich durchaus bezahlt. So hatte ich die Gelegenheit, mit zwei weiteren deutschen Praktikanten von ARIBA einen Kurzurlaub im Yosemite Nationalpark zu machen. Die folgenden Tage in Yosemite zähle ich zu meinen schönsten bis dato erlebten Urlaubstagen überhaupt. Die gesamte Landschaft ist seit Jahrzehnten nicht mehr verändert worden und bietet dem Betrachter daher eine nahezu unberührte Natur. Da in diesem Park darüberhinaus seit Ewigkeiten kein Schuss mehr gefallen ist, sind die Tiere derart zahm, dass man sich ihnen bis auf wenige Zentimeter nähern und sie sogar streicheln kann. Einem fünfjährigen wurde dies zum Verhängnis, als er bei dem Versuch, einen Hirsch zu streicheln von diesem auf die Hörner genommen und durch die Luft geschleudert wurde. Wir haben gleich am ersten Tag eine Bergwanderung auf die Spitze der Yosemite-Falls unternommen, von welchem man eine phantastische Aussicht auf das Tal hat. Der "Half-Dome" konnte aus Zeitgründen nicht mehr bestiegen werden, da diese Unternehmung etwa 12 Stunden in Anspruch genommen hätte und einer gewissen Vorbereitung bedarf. An den folgenden 2 Tagen haben wir im Park mehrere Wanderungen unternommen und den Urlaub am letzten Tag mit einer River-Rafting Tour auf dem Merced-River abgeschlossen. Ich kann nur jedem empfehlen, diesen Park auf alle Fälle zu besuchen, sofern man sich ohnehin schon in der Nähe aufhält.

Selbst San Francisco, von den Einheimischen nur als "The City" genannt, hat in jeder Hinsicht viel zu bieten. Unzählige Museen, den "Golden Gate Park" mit seinem Wildgehege, unzählige Discotheken, Caf� und Restaurants und nicht zu vergessen die Touristenattraktionen wie das Cable Car, den Pier39 und natürlich Alcatraz. Da die "City" nicht weit von meinem eigentlichen Wohnort ist, fahre ich fast jedes freie Wochenende dorthin. Es gibt dort eben immer wieder etwas neues zu entdecken.
Als Highlight bleibt hier das Baseball-Spiel Cincinatti Reds vs. SF Giants im Pacific Bell- Park zu erwähnen. Ed Kinsey, CFO (Chief Financial Officer) und die Nummer 2 bei Ariba, hatte 4 Karten seiner "Luxury Suite Box" für eine Tombola bereitgestellt, welche dann ein Arbeitskollege auch prompt gewonnen hat. Der Abend mit viel Hotdogs und Bier und einem Spitzenspiel wird mir noch lange in Erinnerung bleiben.

Im allgemeinen kann man sagen, dass die Lebensqualität im Valley äusserst hoch ist. Man darf jedoch nicht vergessen, dass das Silicon-Valley eine der reichsten Gegenden im ganzen Land ist. Man findet im ganzen Land nicht so eine Ansammlung von Millionären und Milliardären wieder. Allerdings ist ein Millionär hier auch schnell gemacht! Entweder man fängt bei einer Firma an zu arbeiten, bevor diese an die Börse geht, kauft die Aktienpakete gleich zu Anfang zum Vorzugspreis für $8 bis $10 das Stück und wartet, bis diese sich innerhalb von 3 Jahren auf $130 vervielfacht haben oder man fängt bei einer Firma an, arbeitet fleissig und bekommt vom Boss, weil man so fleissig war, ein dickes Lob, die Auszeichnung als Mitarbeiter des Jahres und weil es so schön war, dann auch noch Aktienpakete der eigenen Firma im Wert von 1.2 Millionen US$! Da klappt einem nur der Kiefer bis auf den Boden.
Allerdings hat dies auch seine Schattenseiten und Nebenwirkungen. Da sich in dieser Gegend um das Valley mehr und mehr reiche Leute ansiedeln, steigen die Miet- und Kaufpreise für Häuser und Wohnungen ins unermessliche! Ein Häuschen mit Garten kann hier schon mal die 3,3 Millionen US$ kosten. Angesichts der steigenden Mieten wohnen auch kaum noch "normale" Leute im Valley, was wiederum dazu führt, dass die umliegenden Geschäfte an Personalmangel leiden. Manchmal muss man im Supermarkt ziemlich lange nach einem Angestellten suchen, um in dem dortigen �erangebot an Mundduschen und Zahnfleischmassagegeräten eine stinknormale Zahnbürste zu finden. Was ich hingegen in Deutschland vermisse ist, dass es in jedem grösseren Supermarkt einen Service speziell nur für Behinderte gibt. Dieser begleitet dann die entsprechende Person durch den ganzen Markt und hilft beim shopping. Eine anderes Problem ist, dass in den USA im allgemeinen sehr viel verschwendet wird. Ein Mehrwegssystem gar gänzlich unbekannt. Doch allen vorweg ist der imense Energieverbrauch zu kritisieren. Angefangen bei einem Standard Hubraum von 3 Litern bei Autos, bis hin zu vollklimatisierten Räumen ohne Thermoglas und Isolierung bei bis zu 45C Aussentemperaturen. Angesichts dieser Tatsachen bezweifle ich, dass es den USA jemals gelingen wird, ihre CO²-Emissionen nennenswert zu senken.

Was speziell mein Leben hier betrifft, so muss sagen, dass es mir hier sehr gefällt. Ich habe hier neue Freunde gefunden mit denen ich mich sehr gut verstehe. Meine Englischkentnisse haben sich durch die zwangsläufige Praxis inzwischen auch sehr verbessert. Konnte ich am Anfang einer Konversation nur sehr schwer folgen, verstehe ich inzwischen selbst Telefongespräche problemlos, welche mir am Anfang die meisten Schwierigkeiten bereitet haben. Desweiteren gibt es noch jede Menge zu entdecken, was unter anderem der Grund für meine Verlängerung bis Anfang Dezember ist. Ich kann nur jedem Studenten dazu raten, sein Praktikum im Ausland zu verrichten. Die Erfahrungen, die man im Bereich der fremden Sprache und der fremden Kultur macht, sind einfach einzigartig. Es eröffnet einem neue Perspektiven und ist vor allem in Hinblick auf seine eigene Horizonterweiterung dienlich. Man kann zum Beispiel lernen, Probleme mit ganz anderen Ideen und Hilfsmitteln zu lösen, welche man in der eigenen Kultur vieleicht nicht findet.
Ich weiss zwar aus eigener Erfahrung, dass es manchmal eines bisschen Glückes bedarf, um an einen der begehrten Jobs zu kommen. Dennoch kann ich aus meiner eigenen Erfahrung sagen, dass sich der Aufwand bei der Suche nach einem Praktikumsplatz auf alle Fälle auszahlen wird. Also: Auf alle Fälle hartnäckig bleiben. Mir bleibt an dieser Stelle nur allen Studenten, denen ich mit diesem Artikel vieleicht ein bisschen Mut gemacht habe, viel Glück und Erfolg bei der Suche nach dem Praxissemester ihrer Träume zu wünschen


Photos von meinem Aufenthalt findet Ihr übrigens in meiner Galerie



Letzter Stand der Aktualisierung: 06. Dezember 2004